Die Abende vor der grossen Tour – warum sie sehr unbehaglich sein können

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Etwas nervös schaut man hoch zum Grat den man am nächsten Tag hochsteigen möchte. Wie viel Schnee ist da noch drin? Sieht man die Route schon von hier aus gut? Wo sind die Schlüsselstellen? Man freut sich auf die Tour, aber gleichzeitig ist da auch diese unterschwellige Nervosität. Schaffen wir das? Wird es schwierig? Versteigen wir uns? Gibt es einen unerwarteten Wetterumschwung? Sind wir zu langsam weil die Bedingungen schlecht sind? Manchmal fragt man sich ganz leise warum man sich jetzt schon wieder auf so ein Abenteuer eingelassen hat. Man könnte ja morgen auch einfach ausschlafen, aber nein…

Wir schauen die Routen nochmals auf der Karte an, Schlüsselstellen und entsprechende Strategien, um diese zu überwinden. Schlachtpläne für allfällige Schwierigkeiten wie vereiste Platten oder eingeschneite Griffe. Wir legen mögliche Umkehrpunkte fest und bis wann wir diese spätestens erreicht haben müssen. Fluchtwege, Alternativrouten und den berühmten Point of no return – wir planen eine Überschreitung.

Die Leute in der Hütte abchecken – wer wohl was vor hat? Wird es viele Leute haben? Wer ist mit einem Bergführer unterwegs? Sind wir die einzigen, die diese Routen in Angriff nehmen wollen?

So auch am Abend vor der Besteigung des Alphubels über den Rotgrat von der Täschhütte. Ich war schon zweimal auf diesem Gipfel – aber leider hat es mit dem Rotgrat noch nie geklappt. Letztes Jahr wurde Nico krank. Wir machten die Normalroute, eine wunderschöne Gletschertour mit Sonnenaufgang am Grat. Aber morgen wollen wir endlich den Rotgrat hochsteigen! Mit dem neuen Feldstecher wird die Route ausgecheckt –nach dem sie dann endlich mal aus dem Nebel gekommen ist! Es ist schon nach dem Abendessen, als wir sie das erste mal richtig sehen können. Und da liegt noch viel zu viel Schnee in dem schönen Felsgrat, der Wind ist eiskalt und treibt uns bald wieder in die warme Hütte. Ein bisschen Zweifel haben wir schon. Vor allem weil der nette Bergführer, der da ist, die Route nicht gerade empfehlen kann bei diesen Bedingungen…

Drinnen aus der warmen Hütte leuchtet unser der Grat einladend entgegen, in gold-oranges Licht der Abendsonne getaucht. Ich freue mich jetzt richtig auf die Tour und habe Lust, endlich in diesem schönen Fels rumzuklettern. Aber ein kleines bisschen nervös bin ich immer noch. Der Schein trügt – die Tour ist lange (6-8h gemäss Führer) und anspruchsvoll, Kletterstellen im Viererbereich werden zu meistern sein. Interessant genug auch ohne Schnee – aber so werden wir wahrscheinlich in Handschuhen und Steigeisen klettern müssen…

Sie sind immer speziell, die Hüttennächte vor den grossen Touren. Den Bauch voller gemischter Gefühle liegt man im Bett – Vorfreude, Respekt vielleicht ein bisschen Angst… Manchmal ist das drauf warten schwerer als die eigentliche Kletterei. Aber Vorfreude ist die schönste Freude – das leicht flaue Gefühl im Magen am Vorabend gehört einfach dazu zum Bergsteigen.

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