El Potrero Chico und El Salto: Klettern in atemberaubender Bergkulisse im Norden Mexikos

Gepostet von

Gastbeitrag von Kathrin Niedurny 

Zwei Kletterer, zwei Monate, sechs Klettergebiete, 3.500km von Monterrey im Norden nach Cancún am Ostzipfel in der Karibik: Neben Pyramiden, Museen, Stränden, Märkten und Volksfesten wollen wir auch die Klettergebiete Mexikos kennenlernen und so packen wir neben Kleidung für verschiedene Klimazonen unsere Kletterausrüstung in die Rucksäcke.

Überwältigende Ausblicke und freundliche Atmosphäre

Unsere Reise beginnt in El Potrero Chico, dem wohl bekanntesten Klettergebiet Mexikos. Seit Langem schon ein beliebtes Wintergebiet bei US-Amerikanern und Kanadiern, treffen wir dort im November 2017 auch viele Europäer. – Vielleicht hat Alex Honnolds berühmtes Free-Solo-Projekt El Sendero Luminoso aus dem Jahr 2014 das Gebiet international bekannt gemacht?

Die Bilder aus dem Video zu El Sendero Luminoso lügen nicht. Sobald wir nach einstündiger Fahrt aus Monterrey das Provinzstädtchen Hidalgo erreichen, sehen wir die markante ‚Front Side‘ mit der 530 Meter langen Mehrseillänge. Das Panorama ist überwältigend, die Route trägt ihren Namen ‚Der leuchtende Pfad‘ zu Recht. Nach weiteren 3 Kilometern erreichen wir die Zufahrtsstrasse zu El Potrero Chico, wo sich die Campingplätze, Ferienhäuser und Restaurants befinden. Von hier aus sind es nur wenige Minuten zu Fuss in die Schlucht. Der Anblick der steil über uns aufragenden Sierra San Miguel wird uns dabei jeden Morgen begeistern.

Den ersten Nachmittag verbringen wir damit, durch den Canyon zu laufen und die verschiedenen Sektoren zu begutachten. Zunächst überwiegt die Skepsis. Der Fels ist an vielen Stellen bewachsen, häufig brüchig und als wir den Zustieg zu einem der Sektoren suchen, landen wir im Geröll und machen schmerzhafte Bekanntschaft mit den überall wuchernden Kakteen.

Zustieg Potrero Chico

Doch die anfängliche Skepsis weicht schon bald der Begeisterung über das überwältigende Panorama mit von Palmen bewachsenen Berggipfeln, hoch über uns kreisenden Raubvögeln und Tausenden in der Luft schwebenden Schmetterlingen. Wir mieten unsere kleine Hütte für zehn Tage und geniessen die Routine: Früh aufstehen, Frühstück, in Begleitung von Campingplatz-Hündin Flaca geht es zum Fels. Am Vormittag klettern wir beispielsweise in der Südwest-exponierten Mini Super Wall, gegen Mittag fliehen wir vor der Sonne und steigen den langen Weg hinauf zur Surf Bowl.

Während Potrero Chico sonst vor allem plattige oder senkrechte Routen im 6. oder 7. Franzosengrad bietet, gibt es in der Surf Bowl steile Kletterei im 8. Grad, zum Beispiel Surfer Rosa (5.13a/8a) oder Nemo (5.13b/8a+). Einige der Routen sind mit neuem Hakenmaterial versehen, wie immer in Potrero Chico sollte man aber aufpassen, da nicht alle Haken sicher sind. Direkt neben der Surf Bowl liegen einige plattige Routen, die ich – trotz Angst vor in den Löchern lauernden Schlangen – mit viel Vergnügen klettere. Auch im Virgin Canyon, der Wonder Wall und im Scrutinizer finden wir nachmittags Schatten und einige lohnende Routen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Mein Höhepunkt ist die Besteigung einer der Pfeiler von The Spires. Wie sich herausstellt sind die beiden Seillängen des Klassikers Aguja Celo Rey mit 5.9 und 5.10 (5c, 6a) recht hart bewertet. Die letzten Meter zur exponierten Spitze fallen mir viel schwerer als erwartet und ich bin froh über meinen durch Surf Bowl-Projekte gestärkten Vorsteiger.

Nach dem Klettern schauen wir gerne bei der lokalen Kletterlegende Edgardo und seinem Pizza- und Klettertruck auf ein mexikanisches Craft Beer vorbei. Am Abend kochen wir entweder in der Gemeinschaftsküche des Campingplatzes oder essen abends bei Leo‘s Tacos Grill. Hier sitzen wir mit anderen Kletterern zusammen an einem grossen Tisch und tauschen Kletter- und Reiseerfahrungen aus. Es gibt Hühnchen aus dem Lehmofen, Rippchen oder Tacos vom Grill – Nordmexiko ist nicht sehr Vegetarier-freundlich – und danach manchmal biergetränktes Karaoke auf der nächtlichen Dorfstrasse. Wir sind begeistert von der offenen und freundlichen Atmosphäre zwischen Einheimischen und Kletterern wie auch unter den Klettertouristen und geniessen unsere Zeit dort sehr.

Nach zehn Tagen in Potrero Chico ist es dennoch Zeit, weiterzuziehen. Wir haben in unserem Kletterführer bereits davon gelesen, Gespräche mit Einheimischen überzeugen uns endgültig, noch einen weiteren Stopp in der Nähe einzulegen: El Salto bietet eine grössere Auswahl an schweren (Sportkletter-)Routen und liegt nicht weit entfernt in den Bergen im Osten von Monterrey. Es gelingt uns nicht, im Vorfeld eine Unterkunft zu reservieren und so fahren wir auf gut Glück los. Zunächst geht es mit dem Bus nach Monterrey und dann mit zwei verschiedenen Taxis weiter in das Bergdorf Ciénega de González. – Der nette Taxifahrer aus Monterrey kennt sich in den Bergen nicht aus und organisiert uns daher auf dem Weg einen einheimischen Fahrer für das letzte Stück. Mit Mietwagen und Navi wäre die Fahrt aber auch kein Problem.

Ausblick Potrero Chico

Erstklassiger Fels und Langeweile in El Salto

Der Fels begeistert uns, doch das Ambiente in El Salto ist eine Umstellung. Das kleine Bergdorf besteht fast gänzlich aus Ferienparks mit teuren Blockhütten, die an den Wochenenden von Gruppen gemietet werden. Dann ist wohl recht viel los im Ort, haben die Restaurants geöffnet, fahren die Besucher mit Quads durch das ausgetrocknete Flussbett und trinken jede Menge Dosenbier (und werfen die Dosen danach einfach weg, wie wir beim Zustieg sehen). Unter der Woche besuchen nur wenige Kletterer den Ort und die Einheimischen haben Zeit, durch das Flussbett zu laufen und die Dosen zu sammeln… Glücklicherweise gibt es den Dorfladen von Doña Kika. Bei der geschäftstüchtigen Matriarchin gibt es nicht nur das Nötigste für den Aufenthalt, sie vermietet auch Ferienwohnungen und Zeltplätze – zu ortsüblich hohen Preisen.

Der Zustieg ist auch hier kein Problem. Wir folgen einfach dem getrockneten Flussbett hinunter in die Schlucht bis wir auf einmal vor der Sinter-geschmückten Wand von Las Animas stehen. Sie ist vor allem bekannt für spektakuläre Kletterei im 7. und 8. Grad, doch gibt es auch schöne Routen im 6. Grad und wir finden hier beide genug zu tun. Am zweiten Tag besuchen wir die weiter entfernte Tecalote Cave. Das Highlight hier ist die spektakuläre 5.10d/6b+ Culo de Merlin, bei der man den Fels – wie der Name verspricht – von seiner intimsten Seite kennenlernt. Mein Partner hat mit Camino del chino (5.13b) ein neues Projekt in Las Animas gefunden und so verbringen wir die meisten Tage dort. Morgens und nachmittags klettern wir, während der langen sonnenbedingten Mittagspause lesen wir und freunden uns mit einem Kletterverpflegung klauenden Eichhörnchen an.

Während Potrero Chico eine grosse Vielfalt an Sportkletterei und Mehrseillängen bietet und schon alleine wegen der tollen Atmosphäre und Landschaft empfehlenswert ist, bietet sich El Salto nur für ambitionierte Sportkletterer an. Unter der Woche herrscht gähnende Leere in Ciénega de González, der nächste Ort ist weit entfernt und gerade jetzt im November droht in der frühen Dunkelheit die Langeweile. Einen Abend lang streifen wir auf der Suche nach einem Restaurant oder einer Bar durch das Dorf und werden – wenig freundlich – auf das Wochenende vertröstet, das Warenangebot im Dorfladen ist sehr eingeschränkt und das W-Lan zu schwach, um für Abwechslung zu sorgen. Für eine Gruppe würde sich vielleicht auch ein längerer Aufenthalt anbieten, bei uns führt der Aufenthalt von Montag bis Freitag zu leichtem Cabaña-Koller und so freuen wir uns, als uns der alte Linienbus für die Weiterreise abholt.

Sinter El Salto

Nach zweieinhalb Wochen in den Klettergebieten sehnen wir uns nach städtischem Trubel und so legen wir vor der Weiterfahrt nach Mexiko-Stadt einen Zwischenstopp in Monterrey ein. Wir nehmen ein Hostel in der Altstadt und ziehen zu Fuss durch die vollen Restaurants, Bars und Clubs der Millionenstadt. Und so endet der erste Teil unserer Reise mit Cocktails, mexikanischer Rockmusik und voller Vorfreude auf die nächste Etappe.

Lieblingssektoren
Mini Super Wall, Surf Bowl, Las Animas

Für uns typisch Nordmexiko
Kakteen auf dem Zustieg, Palmen in der Route, BBQs und freundliche Strassenhunde

Wann waren wir da
November 2017

Kletterführer
The Whole Enchilada: A Climber‘s Guide to Potrero Chico, Mexico von Dane Bass, Puma Press

 

Autorin Kathrin Niedurny 

Kathrin Niedurny

 

3 Kommentare

    1. Hoi Ulf, danke für den Link. Für Potrero Chico haben wir auch viele Infos im Netz gefunden (z.B. http://potrerochico.org), später im Süden mussten wir uns dann aber mit vagen Wegbeschreibungen selbstgezeichneten Topos durchschlagen. Hat aber auch Spass gemacht 😉

      Like

Leave a Reply