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Schlafen neben dem Stier

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Eine mehrtätige Velotour durch die Freiberge: Lichte Wälder, verlassene Wege, die typischen Trockenmauern, auf der Weide ein Stier.

Das ist ein Stier! Mein Freund lacht spöttisch, runzelt die Stirn, dann sinken seine Mundwinkel. Ich habe recht, doch im Moment freue ich mich nicht drüber. Noch nie habe ich so viel Muskelfleisch auf vier Beinen gesehen. Der Stier schaut in eine andere Richtung – noch. Ich packe den Lenker meines Fahrrads und springe bereits auf, da sehe ich den Zaun. Was so ein dünner Draht bewirkt! Der Stier ist eingesperrt. Ich atme durch und steige wieder vom Velo. Andy zerrt seine Tasche vom Gepäckträger, Schlafsack und Kocher fallen ins Gras. Er nimmt die Hängematten aus der Tasche, wir spannen sie zwischen die Stämme der Birken. Ab und zu überprüfe ich, ob der Draht wirklich noch da ist, oder ist da irgendwo ein Loch? Ist der Stier so beeindruckt vom Draht wie ich vom Stier?

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Hügelig und einsam

Die Freiberge im Jura verdienen ihren Namen. Es sind nicht nur kleine Hügel, immer wieder müssen wir in die Pedalen treten. Die Strassen schlängeln sich über Felder, immer mal wieder geht es runter und steigt sofort wieder. Trockenmauern, Weiden und lichte Wälder prägen die Landschaft. Wir fahren an vielen Bauernhöfen vorbei, an den Mauern hängen Reiterwappen oder geschmiedete Pferdeköpfe. Auf den Weiden grasen viel öfter Pferde als Kühe. Für Velotouren ist der Jura einfach genial, nur selten überholt uns ein Auto oder braust ein Motorradfahrer vorbei. Hier ist Platz, wir atmen tief und geniessen den weiten Blick und die Stille. Jetzt im Herbst brennt die Sonne nicht mehr ganz so erbarmungslos. Trotzdem freue ich mich auf die Etappe morgen: nach Basel geht es bergab. Wir durchqueren die Freiberge von West nach Ost, meist auf gut ausgeschilderten Velowegen.

Hängematte zwischen Birken

Wir starren ins Feuer, das Tannenholz brennt flackernd, es riecht nach verbranntem Harz, die Glut brennt in meinen Augen. Den Stier haben wir beinahe vergessen. Unsere Beine sind müde und wir froh, nicht mehr auf dem Velosattel zu sitzen. Mit dem ganzen Gepäck war es anstrengender als gedacht. Ich gebe die Schuld meinem alten Fahrrad, Andy meinem übergrossen Schlafsack… Da steige ich jetzt rein. Der Stoff der Hängematte knistert, die Matte rutscht; die Hängematte schubst mich beinahe auf der anderen Seite wieder raus. Schliesslich liege ich in meinem Sternenbett. Es schaukelt, fast wie auf einem Schiff. Später in der Nacht wache ich auf, mir ist kotzübel. Soviel zur Hängematten Romantik – so idyllisch wie auf Instagram ist das nicht… Mein Freund schnarcht leise, er übernachtet oft in der Hängematte. Ich atme tief durch und schlummere wieder weg.

Schlafen in der Hängematte

Ich höre ein Schnauben. Der Stier! Sofort bin ich hellwach. Starr liege ich im Schlafsack und wage kaum zu atmen. Scheisse, was soll ich machen? Bärenspray? Stierspray? Wie schnell rasen Stiere? Ich versuche, mich leise aufzusetzen. Meine Matte knirscht, quietscht und knistert unerträglich laut, ich halte die Luft an. Dann spähe ich vorsichtig unter dem Tarp durch und sehe – eine blonde Pferdemähne. Lauthals lache ich los. Das Pferd schnaubt leise. Hinter ihm ein zweites, drittes: wir schlafen plötzlich mitten in einer Pferdeherde!

Velotour durch die Freiberge

Velowege in den Freibergen auf Schweiz Mobil

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