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Hochtour über den Gitzigrat aufs Balmhorn

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Vier Uhr nachts, Lötschenpass. Es ist stockdunkel. Wir folgen den Steinmännern, die uns im schwachen Lichtkegel der Stirnlampen stumm den Weg zur Gitzifurrgu weisen. An den Gletscher erinnern nur noch zwei kleine, traurige Schneefelder, die wir queren. Die Stunde Wanderung bis zum Einstieg geht leicht und schon seilen wir an. Der Grat erwartet uns mit abwärtsgeschichtetem Kalk und mit feinen Griffen. Die dünne Mondsichel am Himmel schimmert schwach. Wegen der Kälte klettern wir in Handschuhen und werden nun zum ersten Mal richtig wach. Nach ein paar Metern ersetzt eine wackelige, rostige Leiter die kleinen Unter- und Seitgriffe. Ob die hält? Lieber nicht drüber nachdenken, besser hoch spurten zum Muniring, an dem ich Anja nachsichern kann.

Fünf Gratabschnitte unterteilt durch Gehgelände

Das Topo unterteilt den Gitzigrat in fünf Abschnitte; dazwischen folgen immer wieder kurze Passagen in einfacherem Gehgelände. Auf diesen gönnen wir uns kurze Erholung und herrliche Weitsicht: das Bietschhorn blickt grimmig unter einer Wolkenkappe hervor, das Weisshorn leuchtet majestätisch in der Morgendämmerung. Abschnitt um Abschnitt klettern wir dem Gipfel entgegen: Die Kletterei ist abwechslungsreich und eindrücklich. Der erste Abschnitt beginnt mit der Leiter und endet mit einer hübschen Rinne. Der Zweite leitet über eine plattige Rampe auf ein griffiges Grätchen.

Der dritte Abschnitt des Gitzigrates führt durch eine enge Verschneidung. Sie bietet imposanten Tiefblick, die Finger an Leisten fest, aber dank der Bohr- und Schlaghacken ist die Kletterei sehr bequem. Es ist so eng, dass ich fast mit dem Rucksack stecken bleibe. Ideal für eine kurze Pause…

Schlüsselstelle

Den vierten Gratabschnitt erreichen wir über die 4a Kante – die Schlüsselstelle der Tour! Anja zitterte bereits etwas vor dieser Krux. Doch die 4a erscheint leichter als bisherige 3er Stellen, ist gut gestuft und herrlich kompakt. Wir sind fast enttäuscht, dass die Länge so schnell zu Ende ist und wir schon wieder im flachen Schutt stehen. (Die Umgehung dagegen sieht brüchig aus, der erste Schlaghacken rostig…) Im fünften Abschnitt müssen wir den Weg etwas suchen, der Fels wird brüchiger und die ideale Linie ist nicht offensichtlich; die «bequemen Schuttbänder» sind nicht eindeutig zu identifizieren. Also folge ich meinem Instinkt und ab und zu Fussabdrücken im groben Sand. Im Zweifelsfall am Grat bleiben, dieser Rat hilft – wie immer – auch hier. Zum Ende folgen imposante Türme. Sie sehen aus wie überdimensionale Steinmänner, labil, als brechen sie beim kleinsten Windstoss auseinander. Anja sieht erst besorgt aus, doch dann folgt sie mir flink. Mal wieder sieht alles viel furchteinflössender aus als es ist. Die letzten Meter zum Gipfel sind einfach, der Schnee ist hier noch nicht lange weg und hat dunkelgrauen, nassen Sand hinterlassen, der sich unter unseren Bergschuhen verformt wie Kuchenteig. Endlich stehen wir beim hölzernen Gipfelkreuz, welches wir schon seit einiger Zeit sahen.

von Zacken keine Spur

Im Sommer ist der Gipfel felsig. Die Ostwand, die wir letzten Frühling auf Skiern am liebsten hinuntergekurvt wären, eine einsame Schutt-Wüste. Am Vorgipfel zeigt sich eine hässliche Spalte, eine hauchdünne Brücke führt über den gähnenden Schlund; da nehmen wir doch lieber die Variante durch die Felsen, die wohl nur wegen des Gletscherrückgangs begehbar ist.

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Zackengrat

Bald stehen wir auf dem Vorgipfel und sehen den Abstieg: der Zackengrat, braunrot und etwas traurig liegt er unter uns. Der Gletscher bis zum Grat ist zwar aper, aber einfach zu begehen; bald wechseln wir ins etwas einfachere Geröll. Wir schonen unsere Steigeisen und ziehen sie erst weiter unten wieder für ein kurzes Stück dreckiges Eis an. Im Sommer ist der Zackengrat steinig und staubig, ein Weglein schlängelt sich über den Grat. Die Märchenlandschaft vom letzten Frühling, als wir mit Skiern hier hoch kamen, ist verschwunden. Dafür frage ich mich bereits zum zweiten Mal, woher der Zackengrat wohl seinen Namen hat – Zacken sieht man nur mit viel Fantasie und wer luftige Kletterzacken erwartet hatte, wird enttäuscht. Eher monoton ist die einfache Wanderung auf dem Weglein runter bis zum Couloir. Vor diesem hatte ich schon den ganzen Tag Respekt: es ist steil und der Gletscher auch hier am Schwinden. Auf den ersten Höhenmetern folgen wir Wegspuren in groben Felssplittern – meine Befürchtungen von steilem Schwarzeis verfliegen.

Schutt und schwarzes Eis

Doch zu früh gefreut: Weiter unten müssen wir Steinplatten queren, dann durch ein Rinnsal und weiter in losem Kies. Meine Steigeisen rutschen knirschend weg auf dem schwarzen Eis, das unter der nassen Kiesschicht zum Vorschein kommt. Nun wird es richtig garstig. Wir schlittern auf losem Geröll, Schutt und Eis dem Tal zu, das nicht näher kommen will! Wehmütig denke ich an meine Skier zuhause, im Winter wäre das hier viel einfacher! Oben kam uns ein Typ in Turnschuhen entgegen; wir rätseln, wie er hier wohl durchkam – und erst runter? Ich kam mir etwas idiotisch vor mit Bergschuhen, Pickel und Helm, er nur in kurzen Hosen, aber jetzt finde ich meine Steigeisen ganz praktisch. Irgendwann sind wir unten, das Gletschertal liegt vor uns, braun und tot, Pflanzen, Bäume und der Talboden sind noch weit weg. Und wieder denke ich an meine Skier, es wären läppische zehn Minuten bis zum Talausgang… Wir dagegen tauschen unsere Hochtourenhose nun auch gegen Shorts und marschieren los. Über Geröll und Stein, Schutt und Sand, zum Moränenweg und nehmen den langen Abstieg ins Hochplateau unter die schwitzenden Füsse.

Zur Belohnung stehen wir an der Waldgrenze plötzlich vor einem Märchenwald: Fichten, gelbe Trollblumen und weisse Silberwurz sind eine Wohltat für die Augen. Im Wald denke ich nicht mehr an meine Skier – dafür an meine Turnschuhe, die wären jetzt sehr schick… Doch wenig später vergesse ich beides. Wir geniessen puren Luxus, Bier auf der Sonnenterrasse im Sunnbüel und eine sehr bequeme Fahrt mit der Bahn ins Kandertal.

Fazit

Der Gitzigrat auf das Balmhorn ist eine hübsche, einsame Hochtour. Die Kletterei ist steil und bietet spektakulären Tiefblick; an den kritischen Stellen stecken Haken und fette Muniringe. Keile/Friends/Schlingen sind trotzdem ratsam. Der Abstieg ist bis auf wenige heikle Stellen einfach. Die ideale Zeit für die Tour ist früh im Sommer, wenn im Couloir nach dem Zackengrat noch Schnee liegt, der Grat aber schon trocken ist. Das Balmhorn über den Zackengrat ist im Frühling eine schöne Skihochtour.

Info Gitzigrat Balmhorn

Ausgangspunkt
Lötschenpasshütte, 26 m.ü.M. https://www.loetschenpass.ch

Aufstieg
Gitzigrat, ZS+, 4a, 5 – 7h, auf das Balmhorn, 3698 m

Abstieg
Zackengrat, WS+ 6h zur Sunnbüelbahn https://www.sunnbuel.ch/de/s/fahrplan

Topos / Führer


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